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Kurz vor unserem Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau (links Adrian, rechts Peter

Roma Times - Gespräch zum 80. Jahrestag der Befreiung

Im Rahmen der Jugendbegegnung Oswiecim, einem Bildungsprojekt des Deutschen Bundestags, hatten wir die Gelegenheit, uns intensiv mit der Geschichte des Holocaust auseinanderzusetzen. Eine Woche lang nahmen wir an vielfältigen Bildungsprogrammen, Workshops und Gesprächen teil, um das Gedenken an die Opfer wachzuhalten und aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu diskutieren.

Während dieser Zeit haben wir uns kennengelernt und schnell festgestellt, wie wichtig es ist, über unsere gemeinsamen Erfahrungen als junge Roma und Sinti zu sprechen. In der Jugendbegegnungsstätte Oswiecim, nur wenige Kilometer vom ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz entfernt, entstand dieses Gespräch. Es reflektiert unsere Gedanken zum 80. Jahrestag der Befreiung, die Bedeutung von Erinnerungskultur und die weiterhin bestehenden Herausforderungen, mit denen unsere Community konfrontiert ist.

Mit diesem Interview möchten wir die Stimmen von Roma und Sinti sichtbarer machen und über die anhaltenden Auswirkungen von Antiziganismus sprechen.

Zoe: Willkommen bei Roma Times! Stellt euch doch kurz vor. Wer seid ihr? Wo kommt ihr her? Was macht ihr? Warum seid ihr hier?
Peter: Danke für die Einladung und das Interesse an diesem Gespräch. Ich bin Peter Kraus, mein Sinto-Name ist Celestino. Ich bin 21 Jahre alt und mache gerade mein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Deutschen Bundestag. Parallel bin ich auf Bundesebene bei der Sinti-Allianz für Sinti und Roma aktiv und zudem Kurator bei der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. In dieser Rolle bin ich der jüngste in der Runde – die anderen sind meistens hohe Diplomatinnen oder Vertreter von Unternehmen wie VW, BMW oder Robert Bosch.

Adrian: Auch von mir ein Dankeschön für die Einladung. Ich bin Adrian, ein Rom mit Familienwurzeln aus dem Kosovo. Ich studiere in Frankfurt am Main Politikwissenschaften und vergleichende Religionswissenschaften. Momentan bin ich über AmaroDrom aktiv und monitore Fälle von digitalem Antiziganismus im Netz in einem Verbundprogramm mit sieben anderen europäischen Staaten, um daraus eine Analyse zu gewinnen. Wir untersuchen, wie sich Antiziganismus online verhält, wie er funktioniert und wie man ihn bekämpfen kann. Ich bin seit etwa zwei bis drei Jahren in der Antiziganismusarbeit und auch in der Vertretung und Außenkommunikation unserer Kultur und Interessen aktiv.

Zoe: Danke euch. Wir befinden uns gerade in Oswiecim, dem ehemaligen Auschwitz, am 80. Jahrestag der Befreiung. Was bedeutet dieser Tag der Befreiung für euch persönlich?

Adrian: Unabhängig davon, ob es ein runder Jahrestag ist oder nicht, hat jeder Tag der Befreiung eine tiefgehende Bedeutung. Es war der Tag, an dem unsere Vorfahren es unter den widrigsten Bedingungen geschafft haben zu überleben. Leider waren es nicht viele. Für viele bedeutete die Befreiung nicht das Ende ihres Leids, sondern nur eine Linderung der furchtbaren Bedingungen im Lager. Doch seelisch, körperlich, juristisch und politisch blieb das Leid oft bestehen. Deshalb ist dieser Tag so wichtig. Er war eine physische Befreiung, aber ob sie im Geist und in der Gesellschaft angekommen ist, ist eine andere Frage. Das ist etwas, das wir jedes Jahr aufs Neue reflektieren müssen.

Peter: Wie Adrian bereits sagte, die Befreiung in physischer Hinsicht fand statt, aber eine Befreiung von Unrecht, Dehumanisierung und das Erlangen unserer vollen Anerkennung als Menschen war mit dem 27. Januar nicht vollendet. Es dauerte Jahrzehnte, bis überhaupt anerkannt wurde, dass wir nicht von Grund auf kriminell sind – eine Lüge, die die Nazis verbreiteten und die bereits lange zuvor existierte. Wir haben eine besondere Sprache, eine der ältesten indoarischen Sprachen der Welt, und eine Kultur, die auf der langen Flucht und Vertreibung geprägt wurde. Unsere Gemeinschaft hat eine besondere Fähigkeit entwickelt, andere Kulturen zu verstehen, während uns selbst oft das Verständnis verweigert wird. Die einzige Befreiung, die damals stattfand, war die körperliche – doch unser Volk blieb in den gesellschaftlichen und politischen Strukturen gefangen.

Zoe: Wir sprechen oft von der "zweiten Verfolgung". Die Verfolgung hat mit 1945 nicht aufgehört, oder?

Peter: Ganz genau. Es wird aktuell im Bundestag diskutiert, wie man diese zweite Verfolgung aufarbeiten kann. Der Begriff "Wahrheitskommission" steht im Raum, aber es ist unklar, in welcher Form das geschehen wird. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat 2022 beim 10-jährigen Bestehen des Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma Europas anerkannt, dass diese zweite Verfolgung existiert. Die Rassenhygienische Forschungsstelle der Nazis wurde von der Kriminalpolizei weitergenutzt, um uns bis 1982 zu verfolgen. Und plötzlich verschwanden viele dieser Akten. Man kann nur spekulieren, ob solche Dokumente heute noch im Umlauf sind.

Adrian: Die sogenannte zweite Verfolgung ist nicht nur ein deutsches Phänomen. Roma sind eine europäische Minderheit, die in nahezu jedem europäischen Land seit mindestens 500 Jahren lebt, mit Ausnahme von Island und Malta. Wir wurden in vielen Ländern verfolgt, nicht nur von den Nazis, sondern auch von deren Verbündeten. In Rumänien wurden Roma in die Eiswüste geschickt, um dort zu verhungern. In Italien gab es Konzentrationslager für Roma, und bis heute gibt es in Tschechien Fälle von Zwangssterilisationen. Auch in der Schweiz gab es bis in die 80er Jahre staatliche Programme zur Zwangssterilisation von Roma, Sinti und Jenischen. Unsere Geschichte ist eine Geschichte der Verfolgung, die sich über ganz Europa erstreckt.

Zoe: Kommen wir zur Erinnerungskultur. Was haltet ihr von der Art und Weise, wie in Auschwitz der Holocaust und seine Opfergruppen dargestellt werden?

Peter: Ich war dreimal in Auschwitz. Beim ersten Mal war es ein Schock, beim zweiten Mal konnte ich es individueller verarbeiten, und beim dritten Mal wurde mir die Problematik der Massenbesuche und der Tourismusindustrie bewusst. Die Erinnerungskultur hier neigt dazu, Menschen wieder nur als Zahlen darzustellen. Aber jede dieser Zahlen steht für eine Realität, ein Leben, eine Familie. Auschwitz hat Menschen entmenschlicht, indem es ihnen Nummern gab. Und wenn wir uns nur noch auf Zahlen konzentrieren, erreichen die Nazis im Nachhinein ihr Ziel. Wir müssen uns auf die individuellen Geschichten konzentrieren, um das wahre Ausmaß zu verstehen.

Adrian: Mir fiel auf, dass in einer Ausstellung die verschiedenen Opfergruppen benannt wurden, aber unser Winkel – der braune Winkel für Roma und Sinti – nicht erwähnt wurde. Zuerst dachte ich, es war ein Versehen. Aber dann wurde mir bewusst, dass dies ein Muster ist. In der Erinnerungskultur werden wir oft nur am Rande erwähnt. Wir müssen uns dagegen aussprechen, nicht nur für uns, sondern auch für andere Opfergruppen, die ebenfalls zu wenig Aufmerksamkeit erhalten.

Zoe: Abschließend: Welche Botschaft habt ihr für die Zuhörer*innen?

Peter: Wir müssen unseren Platz in der Geschichte einfordern. Wenn andere sich nicht für uns interessieren, müssen wir es umso mehr tun. Unsere Vorfahren wurden entmenschlicht und ausgelöscht – wir müssen dafür sorgen, dass ihr Erbe nicht vergessen wird.

Adrian: Es ist wichtig, uns kennenzulernen, miteinander zu sprechen. Antiziganismus basiert oft auf Unwissenheit. Durch Dialog können wir Vorurteile abbauen und eine gerechtere Gesellschaft schaffen.

Zoe: Vielen Dank euch beiden für dieses intensive Gespräch!

Leider konnten wir dieses Gespräch nicht zu Ende führen, da wir zu unserem nächsten Termin mussten. Doch wir werden es fortsetzen – entweder einzeln oder mit beiden gemeinsam, denn dieses Thema ist zu wichtig, um es unvollendet zu lassen. Es war bereichernd, sich innerhalb unserer eigenen Community über Erinnerungskultur und unsere Erfahrungen auszutauschen. Besonders schön war, dass in der Jugendbegegnung drei Angehörige der Sinti-Community und ein Rom vertreten waren. Dadurch konnten wir nicht nur aufklären und Stereotype abbauen, sondern auch gemeinsam unsere Emotionen in der Gedenkstätte Auschwitz und bei den Gedenkveranstaltungen teilen. Der Austausch mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und dennoch individuelle Perspektiven einbringen, ist unbezahlbar.

Gedenkstätten und Mahnmale: Der Kampf um einen Platz im kollektiven Gedächtnis

Die Errichtung des Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin im Jahr 2012 war ein bedeutender Schritt in der Anerkennung ihrer Verfolgungsgeschichte. Dennoch steht das Denkmal bis heute immer wieder zur Debatte, sei es durch Pläne zur Verlegung oder durch mangelnde Berücksichtigung in der politischen Bildungsarbeit. Während jüdische Opfer längst einen festen Platz in der deutschen Erinnerungskultur haben, müssen Sinti und Roma immer wieder für ihre Sichtbarkeit kämpfen.

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Die Aufarbeitung des Völkermords an den Sinti und Roma in AuschwitzBirkenau und die Errichtung entsprechender Gedenkorte erfolgten schrittweise über mehrere Jahrzehnte. Ein bedeutender Gedenkort ist das Denkmal im ehemaligen "Zigeunerfamilienlager" (Bereich BIIe) des Lagers Birkenau. Dieses Denkmal wurde errichtet, um an die rund 23.000 Sinti und Roma zu erinnern, die zwischen 1943 und 1944 nach Auschwitz deportiert wurden. Am 2. August 1944, in der sogenannten "Zigeunernacht", wurden die verbliebenen etwa 4.300 Männer, Frauen und Kinder in den Gaskammern ermordet. Dieser Tag wird heute als Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma begangen.

Die spezifischen Daten zur Errichtung des Gedenksteins im Bereich des ehemaligen "Zigeunerlagers" sind nicht eindeutig dokumentiert. Es ist jedoch bekannt, dass die Anerkennung und das Gedenken an die Verfolgung der Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau erst spät erfolgten. Erst in den letzten Jahrzehnten wurden vermehrt Anstrengungen unternommen, um ihrer zu gedenken und ihre Geschichte sichtbar zu machen.

Zusätzlich zum Gedenkstein in Auschwitz-Birkenau wurde 1995 auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald ein Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma eingeweiht. Dieses befindet sich auf dem Grundriss des Blocks 14, in dem im ersten Kriegswinter 1939/40 österreichische Roma untergebracht waren.

Die späte Errichtung dieser Gedenkorte und die Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma spiegeln die jahrzehntelange Vernachlässigung und das fehlende Bewusstsein für ihr Leid wider. Erst in den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Gedenkens und der Aufarbeitung verstärkt, was zur Schaffung entsprechender Gedenkorte führte.

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Mehrere bekannte Überlebende und Zeitzeugen des Holocaust waren im sogenannten "Zigeunerfamilienlager" des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau inhaftiert und haben später über ihre Erfahrungen berichtet. Einer von ihnen war Alfred Rosenbach, der 1931 in Berlin geboren wurde. Bereits 1936 wurde er mit seiner Familie im Zwangslager Berlin-Marzahn interniert, bevor sie 1943 nach AuschwitzBirkenau deportiert wurden. Dort verlor er zahlreiche Familienmitglieder. Nach dem Krieg engagierte er sich aktiv in der Erinnerungsarbeit und setzte sich für die Anerkennung des Holocausts an den Sinti und Roma ein.

Auch Zilli Schmidt überlebte die Verfolgung und den Völkermord der Nationalsozialisten. In ihren späteren Jahren berichtete sie in einem Buch von ihren Erlebnissen und betonte immer wieder, dass sie nachts noch von Auschwitz träume. Die traumatischen Erfahrungen prägten ihr ganzes Leben, und sie setzte sich unermüdlich dafür ein, die Geschichte ihrer Gemeinschaft zu erzählen und vor dem Vergessen zu bewahren.

Ein weiterer bedeutender Zeitzeuge war Otto Rosenberg, 1927 in Ostpreußen geboren und in Berlin aufgewachsen. Seine Familie wurde 1936 ins Zwangslager Berlin-Marzahn gebracht und 1943 nach Auschwitz deportiert. Später veröffentlichte er seine Autobiografie Das Brennglas, in der er eindrücklich seine Erlebnisse schilderte und die Grausamkeiten der Lagerzeit dokumentierte.

Hugo Höllenreiner, geboren 1933 in München, wurde ebenfalls 1943 mit seiner Familie nach Auschwitz verschleppt. Er überlebte mehrere Konzentrationslager und musste grausame medizinische Experimente ertragen, insbesondere durch den SS-Arzt Josef Mengele. In zahlreichen Interviews und Vorträgen berichtete er später über diese unmenschlichen Versuche und seine Zeit in Auschwitz.

Ein weiterer Überlebender, Walter Winter, geboren 1924, wurde ebenfalls 1943 nach Auschwitz deportiert. In seiner Autobiografie Wintertime: Memoirs of a German Sinto who Survived Auschwitz beschreibt er eindrucksvoll seinen Überlebenskampf und die unvorstellbaren Bedingungen, denen er im Konzentrationslager ausgesetzt war.

Diese und viele andere Überlebende haben durch ihre Zeugnisse maßgeblich zur Aufarbeitung des Völkermords an den Sinti und Roma beigetragen. Ihre Berichte helfen dabei, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wachzuhalten und die fortwährende Diskriminierung der Minderheit sichtbar zu machen. Ihre Stimmen sind Mahnungen an die Gesellschaft, sich für eine gerechtere Zukunft einzusetzen und sicherzustellen, dass sich solche Verbrechen niemals wiederholen.

Die Rolle der Jugend: Erinnerung weitertragen

Ein positives Zeichen für die Zukunft ist das Engagement junger Sinti und Roma, die sich aktiv mit ihrer Geschichte auseinandersetzen und für ihre Rechte kämpfen. Projekte wie Jugendbegegnungen in Auschwitz oder die Beteiligung an politischer Bildungsarbeit bieten ihnen die Möglichkeit, ihre Perspektiven einzubringen und das Bewusstsein für die Verfolgung und anhaltende Diskriminierung zu schärfen. Dabei wird nicht nur die Vergangenheit aufgearbeitet, sondern auch die Frage gestellt, wie eine gerechte Zukunft aussehen kann.

Die Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages ist ein jährlich stattfindendes Programm, das junge Erwachsene aus Deutschland und seinen Nachbarländern dazu einlädt, sich intensiv mit den Verbrechen des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz stand die Jugendbegegnung 2025 besonders im Zeichen dieses Gedenkens. Das Programm, das vom 23. bis 29. Januar 2025 stattfand, bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich auf vielfältige Weise mit der Geschichte des Holocaust und seinen Folgen auseinanderzusetzen.

Ein zentraler Bestandteil der Jugendbegegnung ist der Besuch der Gedenkstätte Auschwitz. Dort erhielten die Teilnehmenden umfassende Führungen durch das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager sowie durch die Stadt Oświęcim. Dieser direkte Kontakt mit dem historischen Ort sollte ihnen ein tiefgehendes Verständnis der Ereignisse vermitteln und das Bewusstsein für die Verbrechen der Nationalsozialisten schärfen. Ergänzt wurde dies durch ein Zeitzeugengespräch mit Stefania Wernik, die im November 1944 als Tochter einer inhaftierten Polin im Lager geboren wurde und dank der Solidarität unter den Häftlingen überlebte. Ihre Erzählung ermöglichte es den Teilnehmenden, die persönlichen Schicksale hinter der Geschichte greifbarer zu machen.

Ein weiterer Schwerpunkt des Programms war die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Judenverfolgung in der Ukraine. Die Jugendlichen beschäftigten sich mit spezifischen Aspekten dieser Thematik, um ein noch umfassenderes Bild der nationalsozialistischen Verbrechen zu gewinnen. Neben den historischen Exkursionen und Gesprächen wurde auch die Bedeutung der Erinnerungskultur diskutiert. Dabei spielte die Frage eine Rolle, wie Gedenken heute gestaltet werden sollte, um auch zukünftige Generationen für die historischen Geschehnisse zu sensibilisieren

Zum Abschluss der Jugendbegegnung nahmen die Teilnehmenden an der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus teil. Im Anschluss hatten sie die Möglichkeit, ihre Eindrücke und Fragen in einer Diskussionsrunde mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und dem Holocaust-Überlebenden Roman Schwarzmann zu teilen. Diese Gespräche boten Raum für Reflexion und ermutigten die Jugendlichen, sich aktiv mit den Lehren aus der Geschichte auseinanderzusetzen

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Das Foto entstand in der Gedenkstätte Auschwitz 1 im Haus 4 in dem die Ausstellung über die ermordeten Sinti und Roma stattfindet/ Auf dem Foto ganz Rechts Zoe von RomaTimes, Adrian mit der Roma Flagge, Chanelle und ganz rechts Peter

Das Ziel der Jugendbegegnung ist es, das Bewusstsein für die Bedeutung der Vergangenheit zu schärfen und die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus lebendig zu halten. Durch den direkten Austausch mit Zeitzeugen und den Besuch historischer Stätten sollen die Teilnehmenden dazu angeregt werden, das Erlebte weiterzutragen und sich in ihrem eigenen Umfeld für Toleranz, Menschlichkeit und Demokratie einzusetzen. Die aktive Beschäftigung mit der Vergangenheit spielt eine entscheidende Rolle für die Erinnerungskultur und ermöglicht es jungen Menschen, Verantwortung für eine Zukunft ohne Ausgrenzung und Hass zu übernehmen.

Erinnerung als Widerstand – Die Bedeutung des Gedenkens für Sinti und Roma

Für Sinti und Roma ist das Gedenken an die Toten weit mehr als eine formale Erinnerungskultur. Es ist ein heiliger Akt des Respekts, der tief in unserer kulturellen Identität verwurzelt ist. In unserer Gemeinschaft ist es selbstverständlich, dass wir unsere Verstorbenen mit Würde ehren, ihre Gräber schmücken und ihre Namen in Ehren halten. Unsere Beerdigungen sind nicht nur Trauerfeiern, sondern Ausdruck unserer tiefen Verbundenheit mit den Verstorbenen. Sie sind groß und aufwendig gestaltet, denn für uns bedeutet der Tod nicht das Ende, sondern eine Verbindung zwischen den Lebenden und denen, die gegangen sind. Diese Ehrung ist eine der höchsten Formen des Respekts, die wir erweisen können.

Daher ist es für uns unerträglich, wenn wir sehen, dass die Erinnerung an unsere ermordeten Vorfahren in Gedenkräumen und der öffentlichen Erinnerungskultur vernachlässigt wird. Wir spüren das Vergessen, wir merken, dass unsere Toten nicht dieselbe Achtung erfahren wie andere Opfergruppen. In Auschwitz und anderen Gedenkstätten fehlt oft die angemessene Sichtbarkeit der Sinti und Roma, und wenn sie erwähnt werden, dann meist nur beiläufig. Dies ist nicht nur frustrierend, sondern steht in direktem Widerspruch zu unserem Verständnis von Respekt gegenüber den Toten.

Für uns ist Gedenken keine politische Instrumentalisierung, sondern eine Selbstverständlichkeit. Es ist unsere Pflicht, unsere Vorfahren zu ehren, ihr Leiden nicht zu relativieren und ihre Geschichte weiterzutragen. Wenn in der Mehrheitsgesellschaft Gedenken nur selektiv praktiziert wird, dann ist das nicht nur eine Form der Marginalisierung, sondern auch eine Missachtung unserer tief verwurzelten Haltung gegenüber den Toten. Die Anerkennung und Würdigung unserer Opfer ist nicht nur ein historischer Akt, sondern eine Frage des Respekts.

Deshalb ist es für uns von besonderer Bedeutung, unsere Geschichte selbst zu erzählen und unsere Erinnerungskultur aktiv einzufordern. Wir möchten nicht darum kämpfen müssen, dass unsere Ermordeten als gleichwertige Opfer des Holocaust anerkannt werden – es sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Nur wenn unsere Gedenkkultur respektiert wird, kann echte Gerechtigkeit in der Erinnerungspolitik geschaffen werden. Das Gedenken an unsere Toten ist für uns keine symbolische Handlung, sondern eine Verpflichtung, die tief in unserem Selbstverständnis verankert ist. Es ist ein Zeichen unseres Widerstandes gegen das Vergessen und ein Ausdruck unserer Würde als Gemeinschaft.